Liebeskummer? Nennen Sie es besser Herzschmerz!
Liebeskummer macht krank. Seelisch und körperlich. Viele Menschen empfinden den Herzschmerz als bedrohliche Lebenskrise. Am ehesten vergleichbar mit einer schweren Depression oder dem Tod eines nahestehenden Menschen.
Kurz und einfach
Liebeskummer macht sehr traurig.
Er kann sogar krank machen.
Erwachsene trifft Liebeskummer besonders schwer.
Man muss das Leben dann neu planen.
Danach kann man wieder glücklich werden.
Was passiert bei Liebeskummer?
«Du bist mein Herz». Nicht «Dir gehört mein Herz», wie in Liebesromanen oder Schlagertexten. Diese Formulierung hebt die Trennung von Ich und Du auf. Die geliebte Person wird zu einem Teil von uns selbst. Wenn diese aus irgendeinem Grund aus unserem Leben verschwindet, fühlen wir uns schlecht. Dann fehlt uns ein wichtiger Körperteil – das Herz. Die Betroffenen werden von Liebeskummer heimgesucht.
Der landläufige Begriff «Liebeskummer» wird diesen Gefühlen in keiner Weise gerecht. Er verniedlicht das Leid und ist mitverantwortlich dafür, dass Liebeskummer nicht richtig ernst genommen wird. «Liebeskummer» tönt wie «Sie ist ein bisschen traurig, aber das kommt schon wieder». Betroffene getrauen sich deshalb oft nicht, über ihr Leiden zu sprechen. Sie schämen sich. Der Begriff «Herzschmerz» trifft die Gefühlslage von Betroffenen besser. Beneidenswert präzise ist der englische Begriff «lovesickness» – also «Liebeskrankheit».
Psychologisch gesehen ist Herzschmerz eine Anpassungsstörung. Das bedeutet, dass ein Mensch Schwierigkeiten damit hat, sich einer neuen Situation, zum Bespiel der Trennung einer Partnerschaft, anzupassen. Die Anzeichen von Anpassungsstörungen sind vielfaltig: depressive Stimmung, Trauer und Freudlosigkeit. Darüber hinaus entstehen Ängste, Sorgen und das Gefühl, mit den Anforderungen des Alltags nicht mehr zurecht zu kommen. Oft beobachtet man Veränderungen im Sozialverhalten bis zu körperlichen Symptomen wie Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Durchfall und Magenschmerzen. Anpassungsstörungen halten oft mehrere Monate an.
Wer ist von Liebeskummer betroffen?
Herzschmerz trifft, und das mag überraschen, überwiegend Erwachsene. Im Kindergartenalter und im frühen Schulalter findet man beim Verlust des besten Freundes oder der besten Freundin erstaunlich rasch neue Bekanntschaften. Beim Umzug an einen neuen Wohnort sind die Sorgen der Eltern meist grosser als die effektiven Anpassungsschwierigkeiten der Kinder.
Viel schwieriger ist es bei Jugendlichen im Teenagealter. Für sie bedeutet der Verlust der Freundin oder des Freundes oft der Verlust der wichtigsten Bezugsperson. Das macht sehr traurig. Für Teenager fällt die erste grosse Liebe in eine komplizierte Phase körperlicher und psychischer Turbulenzen und in die Zeit der Ablösung vom Elternhaus. In einer Partnerschaft werden die persönlichsten Probleme und Geheimnisse geteilt. Oft macht man gemeinsam die ersten sexuellen Erfahrungen. Das bindet stark. Eine Trennung im Teenagealter kann Betroffene in eine tiefe emotionale Krise stürzen.
Wenn eine erwachsene Partnerschaft zerbricht, gerät oft die ganze Lebensplanung aus den Fugen. Herzschmerz trifft Menschen dann besonders schlimm, wenn die persönliche Lebensperspektive und das persönliche Glück hauptsachlich auf der Partnerschaft basiert hat. Zumeist ist dies der Fall, wenn andere Aspekte des Lebens, wie Freundschaften, Hobbies und Beruf zu Gunsten der Partnerschaft stark zurückgestuft, vernachlässigt oder gar aufgegeben wurden.
Welche Phasen durchläuft Liebeskummer?
In der ersten Phase, unmittelbar nach der Trennung, will man das Scheitern der Partnerschaft oft nicht wahrhaben. Man hofft, dass es wieder gut kommt. In der zweiten Phase bricht der eigentliche Herzschmerz aus. Die Betroffenen realisieren, dass die Wendung zum Guten ausbleibt. Wut, Trauer, Einsamkeit, Ohnmacht und Verzweiflung dominieren das Gefühlsleben. Diese Phase kann viele
Monate anhalten. Erst dann kommt die wichtige Phase der Neuorientierung. Es geht darum, das Erlebte zu verarbeiten und sein Leben neu zu planen. Die Lücke, welche durch den Verlust der Partnerschaft entstanden ist, wird durch neue Inhalte gefüllt. In der letzten Phase kann man den Herzschmerz überwinden: Ein neues Lebenskonzept wird umgesetzt und die Erinnerungen an die Ex-Partnerschaft stellen keine Belastung mehr dar. So kann man wieder nach neuem Gluck suchen.
Tipps von Urs Kiener
Was hilft gegen Liebeskummer oder Herzschmerz?
Über den Herzschmerz sprechen
Grossartig ist, wenn man mit einer guten Freundin oder einem guten Freund sehr offen über den Herzschmerz sprechen kann. Wenn das nicht möglich ist, empfehle ich das Gespräch im Rahmen eines Beratungsangebots (zum Beispiel mit der «Dargebotenen Hand», Tel. 143) oder einer persönlichen Beratung.
Energie tanken
Herzschmerz führt oft zu Appetitlosigkeit. Gerade bei langanhaltenden, emotionalen Krisen ist es aber wichtig, ausreichend Energie zu tanken. Deshalb muss man bewusst gegensteuern. Wenn man nicht in der Lage ist, regelmässig Mahlzeiten einzunehmen, ist in dieser Ausnahmesituation auch erlaubt, was sonst verpönt ist: Schokolade, Milchshakes, viele kleine Zwischenmalzeiten aus Bananen, Nüssen, Avocados.
Vorsicht bei Alkohol
Der Verlockung, den Liebeskummer im Alkohol zu ertränken, sollte man widerstehen. Im ersten Augenblick scheint trinken zu helfen, wenn man nach einer Trennung mit seinen aufgewühlten Emotionen plötzlich allein zu Hause sitzt. Übermässiger Alkoholkonsum kann schnell zur Gewohnheit werden und weitere soziale Probleme, etwa am Arbeitsplatz, nach sich ziehen.
Ferien, Feiertage und Wochenenden planen
Tage, an welchen man die Ex-Partnerschaft besonders tief gelebt hat, sind für Herzschmerz-Betroffene oft ein Grauen. An Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien, kann die neue Einsamkeit besonders erdrückend sein. Es ist daher wichtig, dass man Aktivitäten für dies kritischen Tage rechtzeitig plant.
Freundschaften und Hobbies reaktivieren
Herzschmerz trifft Menschen dann besonders hart, wenn die persönliche Lebensperspektiven hauptsächlich auf der Partnerschaft basiert haben, und andere Dimensionen des Lebens, wie Freundschaften, Hobbies und Beruf zu Gunsten der Partnerschaft stark zurückgestuft, vernachlässigt oder gar aufgegeben wurden. Die Reaktivierung von Freundschaften, die aktive Planung von Freizeitaktivitäten und Hobbies sind wichtige Schritte bei der Entwicklung einer neuen Lebensperspektive.