Multikrise: Weshalb persönliche Nähe wichtiger denn je ist
Pandemie, Krieg, Klimawandel: sich überlappende Krisen belasten Kinder und Jugendliche besonders. Warum persönliche Nähe in diesen Zeiten so wichtig ist und an wen sich junge Menschen mit ihren Sorgen wenden können, lesen Sie in diesem Beitrag in Zusammenarbeit mit Pro Juventute.
Kurz und einfach
Für Kinder und Jugendliche ist das nicht einfach.
Sie machen sich Sorgen.
Sie sollten mit jemanden darüber reden.
Sie können sich an Pro Juventute wenden.
Die Welt ist komplexer geworden und scheint sich immer schneller zu drehen. Ob Covid-19, Krieg in der Ukraine, Klimawandel oder wirtschaftliche Unsicherheiten: Viele Krisen überlappen sich und werden zu einer sogenannten «Multikrise». Diese trifft gerade Kinder und Jugendliche in einem Lebensabschnitt, in dem sie besonders verletzlich sind, denn sie müssen ihre Bewältigungsstrategien erst noch erlernen. Die Folge: Zunehmend mehr junge Menschen sind psychisch belastet. Zahlreiche Studien und alarmierende Meldungen von Fachstellen machen dies deutlich. Kommt hinzu, dass die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgungskette überlastet ist. Kinder und Jugendliche warten lange auf eine Gesprächsmöglichkeit respektive auf einen Therapieplatz.
Reden hilft, doch mit wem?
Besteht die Möglichkeit, sich jemandem mitzuteilen und von den eigenen Sorgen zu erzählen, kann das entlasten. Eine tragfähige Verbindung zu anderen Menschen schafft Sicherheit und Vertrauen – und ist ein wirksamer Schutzfaktor gegen psychische Belastung. Persönliche Nähe reduziert Stress, fördert Bewältigungsstrategien und stärkt die Widerstandskraft.
Doch wer sich nicht wohl- und ernstgenommen fühlt, hat keine Basis, um über persönliche Dinge zu sprechen. So berichten junge Menschen, dass sie sich von Erwachsenen im Umfeld nicht immer ernstgenommen fühlen. Man höre ihnen nicht zu oder komme oft sofort mit gutgemeinten Ratschlägen.
Bei Pro Juventute erhalten Kinder und Jugendliche Beratung und Hilfe. Ob telefonisch oder über digitale Kanäle – junge Menschen finden dort Ansprechpersonen, die ihnen zuhören und in ihren Sorgen und Ängsten zur Seite stehen.
147 stark gefordert
Seit Beginn der Pandemie hat der Beratungsaufwand bei 147, dem Angebot für Kinder und Jugendliche von Pro Juventute, um 40 % zugenommen. Besonders stark gestiegen sind Beratungen zu Ängsten, Depressionen und Suizidgedanken. Drei Mal pro Woche müssen die Beraterinnen und Berater eine Blaulichtorganisation aufbieten, weil sich ein junger Mensch etwas antun will.
Rund um die Uhr sind die Beraterinnen und Berater für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern da. Vertraulich, anonym und kostenlos. Kinder und Jugendliche, die sich zum ersten Mal bei Pro Juventute melden, sind zu Beginn manchmal zögerlich oder nervös. Gerade die Tatsache, dass man sich beim 147 nicht kennt oder gegenübersitzt, macht es vielen einfacher, sich zu öffnen.
Indem die Beraterinnen und Berater die Ratsuchenden erst mal erzählen lassen, aktiv zuhören, ohne zu werten und Fragen stellen, zeigen sie Interesse an den Anliegen der Kinder und Jugendlichen und an ihrer Lebenswelt. Damit entsteht eine wichtige Grundlage für den Beratungsprozess und es kann bereits in einem halbstündigen Telefongespräch eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut werden. Diese ermöglicht es, gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen herauszufinden, wie sie sich stärken und auf eine Verbesserung der Situation hinwirken können.
Neue Chancen durch Digitalisierung
Wer Nähe zur Zielgruppe sicherstellen möchte, muss mit der Zeit gehen. Eine Notruf-«Nummer» für Kinder und Jugendliche zu führen, bedeutet, ebenfalls digital fit zu sein und Content anzubieten. Anstatt zu telefonieren, nutzen junge Menschen heute viel mehr Text-, Sprach- und Videonachrichten. Auch kommunizieren sie asynchroner als früher, sprich zeitlich versetzt, wenn sich gerade Zeit findet. Um dem veränderten Kommunikationsverhalten der jungen Generationen Rechnung zu tragen, hat Pro Juventute in den letzten Jahren die digitalen Beratungskanäle und die Content-Produktion auf Social Media ausgebaut, Damit kann Pro Juventute Kindern und Jugendlichen bedürfnis- und lebensweltorientiert einen Begegnungsort für ihre Fragen und Sorgen bieten – und persönliche Nähe trotz physischer Distanz ermöglichen.
Der Peer-Chat
Persönliche Nähe bedeutet auch, einen Austausch auf Augenhöhe zu führen. Manchmal ist es einfacher, sich über die eigene Situation mit Gleichaltrigen auszutauschen, als mit Erwachsenen zu sprechen. Oft haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht oder kennen das Problem. Der Peer-Chat von Pro Juventute ist ein niederschwelliges Beratungsangebot für Jugendliche, welche sich mit Gleichaltrigen über ihre Sorgen, Nöte und Ängste austauschen möchten. Geschulte Jugendliche sind hier die Expertinnen und Experten. Aus eigener Erfahrung mit Krisen wissen sie, wie sie Gleichaltrigen Mut machen und helfen können. Durch diese Beratung aus einer Betroffenenperspektive kann Pro Juventute Jugendliche spezifisch in ihren eigenen Ressourcen stärken.
Persönliche Nähe im Alltag: Interesse zeigen und aktiv zuhören
Jeder und jede kennt womöglich Personen, denen es psychisch nicht gut geht und die man gerne unterstützen möchte. Allein schon das Zeigen von Interesse und aktives Zuhören kann im Alltag dazu beitragen, im direkten Kontakt persönliche Nähe entstehen zu lassen. Oft ist es hilfreich, ganz konkret nachzufragen, welche Art der Hilfe für den oder die Betroffene gerade stimmt. So kann es bereits eine grosse Unterstützung sein, die Anwesenheit anderer zu spüren, gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen, sich abzulenken oder jemanden zu haben, der zuhört, ohne zu werten. In einem weiteren Schritt kann man psychisch belasteten Personen Mut machen, sich fachliche Hilfe zu suchen.
Nichtsdestotrotz kann es aus einer Zuhörenden-Perspektive auch schwierig sein, Probleme anderer mitzutragen. Wichtig ist deshalb, stets auf die eigenen Gefühle und Grenzen zu achten – und sich bei Bedarf selbst fachliche Unterstützung zu holen. Erstanlaufstellen wie das 147 sind in genau solchen Fällen da und schaffen Nähe –trotz physischer Distanz.