Vom Rollstuhl auf die Skipiste
Bei richtiger Unterstützung ist Schneesport auch mit einer körperlichen und / oder einer geistigen Beeinträchtigungen möglich. Gian Cadosch und Markus Gafner machen es vor: Die beiden Berner sind zu zweit auf der Piste unterwegs – der eine sitzend, der andere stehend. Ein ganz normaler Skitag.
Wenn es draussen kalt wird und die ersten Flocken fallen, zieht es Gian Cadosch wie so viele in unserem Land in die Höhe. Das Glitzern des Schnees und die Freiheit auf der Piste, wer möchte es missen?
Cadosch ist 24, wohnt in der Region Bern und arbeitet dort in einer Stiftung für berufliche Integration. Er hat eine Gehbehinderung, deswegen ist er meistens auf den Rollstuhl angewiesen. Ski fährt er trotzdem. Dank einer speziellen Ausrüstung und persönlicher Unterstützung. Letztere kann zum Beispiel Markus Gafner bieten. Der Versicherungsberater der CONCORDIA Agentur Thun kommt auf unsere Nachfrage hin kurz ins Rechnen: «Es dürfte nun bereits mein 17. Winter als Begleiter im Behindertensport sein.» Über eine frühere Anstellung in einer Skischule ist Gafner einst auf PluSport aufmerksam geworden, das Schweizer Kompetenzzentrum für Behindertensport. Und seit er weiss, dass die Organisation stets froh ist um kompetente Betreuungspersonen, hat es ihn gepackt.
Aber dafür kann ich auf der Piste die kleinlichen Sorgen des Alltags komplett vergessen.
In pandemiefreien Zeiten verbringt der dreifache Familienvater einen beträchtlichen Teil seiner Ferien in den Lagern von PluSport. Ja, dieses Engagement könne schon sehr zeitaufwendig sein. «Aber dafür kann ich auf der Piste die kleinlichen Sorgen des Alltags komplett vergessen», so Gafner. Dann zähle nur noch der Moment, zusammen mit den Menschen, die er betreue. Und von deren Lebensfreude und Motivation profitiere er enorm. In den Lagern von PluSport fahren Gafner und Cadosch regelmässig miteinander Ski. Im Gespann flitzen die beiden dann die Piste runter, Gafner führt hinten stehend, Cadosch fährt vorne den sogenannten Dualskibob. Das ist ein schnittiger Schlitten, der auf zwei Skiern montiert ist. Doch wie bringt man den Schlitten wieder den Berg hoch? «Die meisten Skigebiete sind auf unsere Bedürfnisse gut vorbereitet», sagt Gafner. In der Regel treffe man auf hilfsbereites Personal, das den Umgang mit verschiedenen Fahrgeräten gewohnt ist. Nur wenn er zum ersten Mal in ein neues Skigebiet geht, ruft er vorher kurz an, um sich nach den Verhältnissen vor Ort zu erkundigen. Selbst Bügel- und Sessellifte stellen für sitzende Skifahrerinnen und Skifahrer keine grosse Hürde dar. Es kommt bloss auf die richtige Ausrüstung an. Gafner erzählt so locker von Schnüren, Haken und Karabinern, dass man die Skepsis rasch verliert. Einzig Gondeln sind etwas aufwendiger, weil Gehbehinderte dafür allenfalls vom Bob in den Rollstuhl wechseln müssen.
Ein Tag zusammen mit Gian
und Markus auf der Skipiste.
Gafners Lockerheit kommt jedoch nicht von ungefähr. Um Menschen mit Behinderungen auf der Skipiste begleiten zu können, muss man nicht nur selbst gut und sicher Ski fahren können. Es braucht auch eine spezielle Ausbildung. Je nach gewähltem Modul lernt man in mehrtägigen Ausbildungskursen die Bedürfnisse von seh-, körper oder geistig behinderten Menschen auf den verschiedenen Schneesportgeräten kennen. Und wie fühlt es sich an, wenn man dann im Duo die Skipiste erobert? Zum Beispiel als sitzender Pilot im Dualskibob mit stehendem Begleiter? «Auf der Piste fühle ich mich einfach frei», so Cadosch. Sein Begleiter versichert denn auch, das gemeinsame Fahren habe nichts mit Fernsteuerung zu tun. Im Gegenteil: Die stehende Person nimmt von der sitzenden viel auf. Er müsse Cadosch inzwischen kaum mehr führen, weil dieser im Dualskifahren geübt sei und die Kommunikation zwischen ihnen stimme. Dadurch würden sie gemeinsam immer besser – und auch schneller. Was dann natürlich noch mehr Spass mache. Technik, Tempo und Spass bei tiefen Temperaturen: Wer selbst ab und zu auf den Brettern unterwegs ist, weiss wohl, wovon die beiden sprechen. Skifahren eben.